Wir verabschieden uns heute von einem Vater, von einem Bruder, einem von uns geliebten Menschen. Einem Wegweiser und Begleiter, der uns verlässt. Wir loben Scheich Mahmoud Bouzouzou, dessen Seele an diesem Donnerstag, den 27. September 2007, am frühen Nachmittag, mitten im Monat Ramadhan, verschieden ist.
Scheich Bouzouzou wurde am 22. Februar 1918 in Bejaïa geboren, einer algerische Stadt der Wissenschaft, auf die er sehr stolz war und nach der er sich unaufhörlich sehnte. Er hat im Übrigen gewählt dort beigesetzt zu werden. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er in Constantine, unter der sorgfältigen Aufsicht von Scheich Abdelhamid Benbadis, in Begleitung von anderen Mitgliedern der algerischen Association des Oulémas.[1] Nach seinem Studium widmete er sich, in einem Algerien, das durch den französischen Besatzer im Analphabetismus versinken sollte, dem Lehramt. Er hat zur Gründung von Moscheen beigetragen und von Privatschulen, die Arabisch lehrten, die Sprache, die während der Kolonialzeit bekämpft wurde.
Mitte der vierziger Jahre war er einer der Pioniere vom Muslimischen Algerischen Pfadfinderverband. Als Generalleiter hat er zur Ausbildung einer ganzen Generation von aktiven Mitgliedern der «cause nationale» beigetragen, von denen einige Initiatoren der algerischen Revolution gewesen waren und deren Mehrheit sich ihr angeschlossen hat. Viele unter ihnen wurden zu Märtyrern. Er war auch durch seine Texte in “al-Bassaïr” und “al-Manar“, einer der Pioniere des engagierten, algerischen Journalismus. Die Publikation “al-Manar“, die er leitete, war Anfang der fünfziger Jahre eine bemerkenswerte Tribüne für die Bekämpfung der französischen Besatzung und der Bekanntmachung der Kolonialverbrechen, besonders über die Massaker vom Mai 1945. “Al-Manar” war ein kompetentes Instrument politischer Bewusstseinsbildung.
Scheich Bouzouzou war unumstritten einer der Pioniere der Algerischen Nationalbewegung, die zur Vereinigung ihrer unterschiedlichen Strömungen aufrief. Die Kolonialbehörden betrachteten ihn im Übrigen als einen der geistigen Vorbilder des nationalen Befreiungskrieges und stuften ihn als «ein gefährliches, subversives Element» ein. Das enthüllen die vor kurzem gefundenen Notizen der französischen Geheimdienste, in den französischen Archiven. Wegen seinen nationalistischen Standpunkten hatte er viele Probleme: Gefängnis und Folter, dann das Exil. Er emigrierte zuerst nach Marokko, dann nach Europa, wo er sich in mehreren Städten aufhielt, bevor er sich in Genf niederließ.
In Genf widmete er sich der muslimischen Gemeinschaft, der Lehre der arabischen Sprache, so wie der Darstellung der islamischen Religion und Zivilisation. Er war, im Jahre 1961, einer der Gründer des Islamischen Zentrums und hat, im Jahre 1975, zur Bildung der Fondation culturelle islamique [2] beigetragen. In beiden Institutionen hatte er das Amt des Imams. Er war auch Ratsmitglied der Fondation Cordoue, deren ersten Sitz er bei sich beherbergte. Er war zwanzig Jahre lang Professor für Arabisch an der Dolmetscherschule der Universität Genf und bei der UNO. Den Jugendlichen schenkte er ganz besondere Beachtung. Er empfing sie in seinem Büro oder in seinem Wohnsitz. Er hörte ihnen zu und überhäufte sie mit Ratschlägen. Er achtete auf ihre Bewusstseinsbildung.
Scheich Bouzouzou war ein Anhänger der Bewahrung des Mittelmaßes, er verabscheute Extrempositionen. Er war weise in seinen Beziehungen mit Anderen. Sein beispielhaftes Verhalten und seine menschlichen Eigenschaften waren die beste Visitenkarte, die er vom Islam zeigen konnte. Er besaß ein umfassendes Kulturverständnis und zeichnete sich durch die Öffnung gegenüber dem Anderen aus. Der Beweis dafür ist seine Bibliothek mit tausenden von Büchern in mehreren Sprachen über Religionswissenschaft, Geisteswissenschaft, Kunst, Geschichte, Philosophie, Jura, Politologie, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die er der Stadt Genf vermachte. Was ich von Scheich Bouzouzou besonders im Gedächtnis behalten werde, ist die Bedeutung, die er der Wissenschaft und der Tat beimaß. Die nützliche Wissenschaft, die sehr eng mit der guten Tat verbunden ist, sowie seine Liebe zu dem Buch.
In seinem letzten Beitrag in den Medien, im vergangenen Jahr, erklärte er anlässlich « der Affäre der Karikaturen », dass « diese Krise zwei Plagen enthüllt, die die Menschheit bedrohen: Ungerechtigkeit gegenüber dem Anderen und Ignoranz über den Anderen » und er betonte, dass « die Weisheit anordnet daran zu erinnern und zu unterstreichen, dass unsere Unterschiede einen Reichtum bilden, der uns die einmalige Chance anbietet uns gegenseitig zu bereichern und so mit Brücken zu bauen, die uns einander nähern » bevor er schlussfolgernd sagte, dass « es die Pflicht von jedem von uns ist, ungeachtet unserer Überzeugungen, die nötige Bemühung zu unternehmen, um nicht nur den Anderen kennen zu lernen, sondern um ihn auch anzuerkennen und ihm unter allen Umständen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. »
Mit dem Ableben von Scheich Bouzouzou verliert Algerien eines seiner Kinder, die nie ihre Bemühungen für die Unabhängigkeit und die Emanzipation von Algerien eingestellt haben. Genf verliert eine Stimme der Weisheit, die das hervorragende Vermögen hatte, zu schlichten und zu versöhnen.
Dr. Abbas Aroua
Direktor von der Fondation Cordoue de Genève
Fußnoten :
[1] Association des Oulémas : Vereinigung der Ulama / Vereinigung der Gelehrten
[2] Fondation culturelle islamique / Kulturelle Islamische Stiftung in Genf
Übersetzung aus dem Französischen : Monica Hostettler